Resilienztipp Nr. 47: new normal für die Yogapraxis

«Mit einer regelmässigen Yogapraxis kommst du immer wieder zurück in den Moment, ganz konkret zu Körper, Atem und Geist», sagt Anika Gehlert. Ein guter Grund, den heutigen Tag des Yoga zu feiern.

Übt man Yoga besser zu Hause oder im Studio? Welche Variante hat welche Vorteile? Wir haben Yogalehrerin Anika Gehlert dazu befragt. Unser Fazit: hybrid üben!

Anika, wie hat sich deine Arbeit durch die Pandemie verändert?

Anika Gehlert:

Ich habe sofort auf Online-Unterricht umgestellt, was mir zunächst merkwürdig erschien in dem Körper- und Energie bezogenen Feld des Yoga. Doch aus eigener Erfahrung weiss ich, wie wichtig ein regelmässiger Rhythmus ist und wie die Yogapraxis ein Ankerpunkt im Auf und Ab des Lebens bietet. Eine gute Balance zwischen Stabilität und Flexibilität führt uns Menschen gesund durch eine Krise. Ich konnte einige Schüler in ihrer persönlichen Krise stabilisieren und habe noch mehr Einzelgespräche geführt als früher.

Welche Vorteile hat die Übungspraxis zu Hause?

Manche Teilnehmer können sich zu Hause besser entspannen. Von der aufgebauten Energie und Ruhe kann länger gezehrt werden. Wir üben gemeinsam früh am Morgen oder kurze Sessions in der Mittagspause, was früher wegen Anfahrtszeiten nicht möglich war. Nach den Abendkursen gehen die Schüler sofort ins Bett und berichten von ganz tiefem, erholsamen Schlaf. Sie sind viel mehr auf ihr eigenes Körpergefühl angewiesen. Ich leite mehr und mehr zu Selbstfürsorge an, da ich auf Korrekturen im Detail verzichten muss. Der Gruppenzwang fällt weg und sie trauen sich mehr eigene Alternativen zu finden.

Wo siehst du eher Risiken?

Zu all den positiven Effekten gibt es natürlich auch Nachteile. So bleibt es manchmal beim komfortablen Üben, ohne dass Grenzen ausgeweitet oder blinde Flecken entdeckt werden. Es wird früher aufgelöst oder weniger konzentriert geübt. Die Sinnesorgane sind durch die viele Computerarbeit ohnehin schon strapaziert, das kann zu Kopfschmerzen, Stressgefühl oder strapaziertem Nervensystem führen. Ich ermutige die Teilnehmer sich – sobald möglich – mehr über die Ansagen leiten zu lassen. Vielen fehlt zu Hause der Raum oder die Familienmitglieder platzen herein und unterbrechen. Aber da kommen wir gleich in die Praxisübung, das Geübte anzuwenden: Grenzen zu setzen oder überzogene Erwartungen oder Idealvorstellungen loszulassen.

Was ist deine liebste Übung?

Gestützte Rückwärtsstreckungen geben einen sanften Energieschub und vertiefen die Atmung. Die Haltung heisst Dwi Pada Viparita Dandasana. Wenn der Rücken geschmeidig ist, kann man das gut auf einer Couchlandschaft oder einem harten Bett üben.

Das Angebot rund um Yoga ist riesig. Was rätst du unseren Leser:innen, damit sie sich in diesem Yoga-Wald zurechtfinden?

Am besten beginnt man mit Standhaltungen. Die sind sicher, schenken Kraft und Ausdauer, stärken das Nervensystem und schaffen ein Grundverständnis für die Bewegungsrichtungen des Körpers. Beginnen würde ich immer mit Unterricht in Präsenz, sofern möglich. Man erhält bei einem zertifizierten Lehrer Feedback und kann sich beraten lassen. Das Studio sollte dennoch in Reichweite sein. Eine gute Kombination sind Einzelstunden bei einem Lehrer in Kombination mit Online-Unterricht.

Was hat Yoga mit Resilienz zu tun?

Wer sich einer herausfordernden Yoga-Haltung nähert, lernt die eigenen Grenzen wahrzunehmen, um dann ausdauernd, aber nicht verbissen, die Herausforderung anzugehen. Im Yoga lernt man Ressourcen des eigenen Körpers zu nutzen, um sich immer wieder aufzurichten. Durch einen geschmeidigen Körper können Nährstoffe besser verteilt werden, die Organe werden optimal versorgt. Der Atem wird über die Übungen vertieft und befreit, und damit werden die Gesundheit und das Nervensystem gestärkt. Selbstbeobachtung und Entspannung werden ebenso geschult wie Disziplin und Ausdauer. Mit einer regelmässigen Yogapraxis kommst du immer wieder zurück in den Moment, ganz konkret zu Körper, Atem und Geist. Es gibt die Möglichkeit, ganz konkrete Herausforderungen oder Probleme zu lösen. Es ist Zeit, um unentdeckte Verspannungen wahrzunehmen und zu lösen und damit mehr Energie frei zu setzen. Ganz gleich, ob es sich um die eigene Leistungsfähigkeit handelt, schwierige Problemlösungen oder das Miteinander im Alltag. Die Philosophie des Yoga gibt ganz konkrete Tipps, wie man Konzentration fördert, sich aus Gedankenspiralen befreit und lädt dazu sein, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Zur Person

Früher arbeitete Anika Gehlert in Werbeagenturen und lernte dort die schnelle Businesswelt kennen. Heute unterreichtet die zertifizierte Iyengar-Yogalehrerin hauptberuflich Iyengar-Yoga in Stuttgart. In ihrem Unterricht wird unter klaren Aussagen spielerisch geforscht. Mit dem Bezug zur Philosophie und einer wohlwollenden Grundhaltung geht das Üben über die Körperarbeit hinaus.

Gesund durch die Zeit nach der Pandemie? Impulse dazu gibt’s bei Human Empowerment Center.

(Bilder: @geralduhlmannphotography / @anikakopfueber)